Champagner am Scharmützelsee.
Holzhaus, erste Seereihe 

Anreise
Der Urlaub und ich fremdeln dieses Jahr ein bisschen. Ich kann es schon gar nicht mehr. 

Obwohl es innerhalb Deutschlands ist, dauert die Anreise gefühlt ewig. Ich bin ungeduldig, zu viele Staus und Baustellen. Ich will ankommen, ich will endlich in Urlaub. Das Argument "der Weg ist das Ziel" kann ich nicht nachvollziehen - Urlaub ist erst, wenn der Zeh im See steckt. 

In unserem Ferienpark angekommen sehen wir die Menschenschlange vor der Rezeption und kriegen erst mal einen Schock. Menschen hat man sich ja irgendwie abgewöhnt in den letzten Monaten und hier sind 1.5m Abstand anscheinend ganz anders als bei uns. Unser Häuschen Nr. 5 ist in der ersten See-Reihe... also alles richtig gemacht. 

Nach dem Essen erst mal ein Erkundungsspaziergang, ein Hauch von Sonnenuntergang und ein abendlichen Aperol für die müde Runde. Um 22h frühes Bettgehen, fast verschlafe ich das Feuerwerk. Was für eine nette Begrüßung.... 

Sonntag 
Heut steht nix auf dem Programm. Was für ein Luxus. Die Tages-to-do's bestehen aus: baden, lesen, schauen, dösen, plaudern und dazu gibt es (zu Happy Hour-Zeiten) einen Aperol. Oder zwei. 

Nachmittags gibt's ein Eis und abends aufgrund von diversen Lieferando-Schwierigkeiten (geschlossen, Mindestbestellwert, Lieferzeit) kapitulieren wir und und machen Spiegeleier. Danach wird noch schnell ein bisschen gespielt und ein paar Sonnenuntergangs-Fotos geschossen. 

Montag 
Bad Saarow ist sehr grün. Wir parken am Wasserturm, wo es sehr stylische Loft-Ferienwohnungen gibt. Nebenan ist das schön renovierte Moorbad, in dem jetzt die Bibliothek untergebracht ist. Ich sehe richtig die alten Zeiten vor mir, als hier die Bäder-Vergangenheit noch lebendig war. Da wär ich auch mit rumflaniert. Wir machen eine Runde durch Bad Saarow innercity, kommen am hübschen Maxim Gorki-Haus vorbei und begutachten das Bahnhofs-Gebäude. Die Frau an der Touristinfo kennt den Ort noch aus DDR-Zeiten und findet es lächerlich, wie teuer es heutzutage ist und das alles nur noch neugebaut wird und nichts erhalten. 

Auf dem Weg Richtung See kommt eine kleine Schwäche durch und wir brauchen was zu essen. Nur eine Kleinigkeit. Wir finden ein hübsches Bistro „Carpe Diem“. Die absolut richtige Entscheidung, weil uns die nette Dame unsere Extrawürste-Kinderschnitzel macht. Uns fällt auf, dass sie wohl noch vom alten Bediener-Schlag ist: sie dreht das Glas so, dass der Gast die Marke lesen kann. Zum Nachtisch gibt's noch eine Softeis und dann schlendern wir weiter durch den Kurpark von Bad Saarow. Klein, aber nett. Auf der Seerosen-Terrasse dreht gerade Wolfgang Lippert eine Szene mit der Kamera. Ob wir das wohl jemals im Fernsehen sehen? 

Sehr erhitzt und müde machen wir uns dem Weg zum Auto. Die wichtigste Mission haben wir ja noch vor uns: wir wollen eine Luftmatratze. Wir sind flexibel, deswegen gibt es einen Riesen-Flamingo. 

Dienstag 
Heute machen wir einen Ausflug, vom See in die Stadt: es geht zum Teufelsberg, wie immer unser Fotografie-Highlight in Berlin. Dieser Ort ist so mystisch und spannend, die Historie so interessant (gibt es wirklich diese geheime Stadt im Berg?) und es gibt wieder tolle neue Graffitis. Hier wäre ich wieder gerne eine unsichtbare Zeitreisende und möchte wissen, wie es hier im Echtbetrieb zugegangen ist. Ich würde natürlich auch keine Spionage-Geheimnisse ausplaudern.. 

Nach dem Teufelsberg steht unsere Führung im Flughafen Tempelhof auf dem Programm. Endlich Tempelhof, das steht schon so lange auf meiner Liste. Die Führerin ist super und wir verbringen spannende 2 Stunden mit erlebter Geschichte und gelebter Vergangenheit. Gerade in Berlin fasziniert mich jedes Mal die Vergangenheit und gerade Tempelhof hat so viel erlebt. Wer wohl vor uns durch diese Hallen gegangen ist oder durchs Treppenhaus, welche Schicksale haben sich hier abgespielt, vielleicht gerade da, wo ich jetzt stehe? Berlin ist einfach immer einen Ausflug wert. 

Mittwoch 
Das Wetter erlaubt es uns heute, den Tag mit Müßiggang zu beginnen. Nach einem gemütlichen Frühstück natürlich auf der Veranda, wird gelesen, geguckt, geschrieben, Fotos bearbeitet oder nochmal ein Schäfchen gehalten. 

Nachmittags muss dann Action her, wir fahren mit dem Auto Richtung Hafen Bad Saarow und suchen das Architektur-Highlight, das Eierhaus in der Uferstrasse. Dort laufen wir durch den Fontanepark und in Richtung Saarow Marina. Eher übersichtlich. 

Weiter mit dem Auto in Richtung Windisch-Rietz mit noch ein paar Zwischenstation, um ans Ufer zu gucken. In Windisch gibt's net wirklich was zu sehen, aber unser Plan ist ja auch erst mal essen. Bei Eddys am Kanal finden wir gerade noch ein Plätzchen neben der anti-autoritär erziehenden Familie. Ich bestelle mir naiverweise ein Schnitzel, nicht ahnend, wie groß das ist. 

Nach dem Essen noch Verdauungs-Fotostops in Richtung des Leuchtturms, nach Glienicke und am Steg von Diensdorf. 

Donnerstag 
Heute ist der Tag, an dem wir Fahrräder leihen. Um ja nix zu verpassen gehen wir noch vor dem Frühstück an die Rezeption. Und wir leihen die Räder nach der T-Shirt-Farbe aus, deswegen kriege ich ein türkises Bike. 

Der Plan ist ambitioniert - einmal um den See, ca. 26km. An sich ja net so viel, aber für meinen Bürohocker-Popo ist das hardcore. Die Räder gehen erstaunlich gut, das einzige was uns bremst sind unsere zahlreichen Foto-Stops. Von unserem Theresienhof aus fahren wir erst mal in Richtung Bad Saarow, denn diese Richtung hat mehr bergrunter als bergauf. Die Fahrradweg-Beschilderung ist echt mau und teilweise fällt es uns schwer, auf dem rechten Weg zu bleiben. 

Was uns gut gefallen hat: klein Sanssouci mit dem rostigen Transformer vor der Tür, der Biergarten Freilich am See (bayerische Küche!), die Uferstraße mit dem Eierhaus, das Dorsch am See (Gin Tonic und Erdbeeerbowle am Mittag, so geht Urlaub), die verwunschenen Stege, die dicken und alten Bäume, die stinkende Kormoran-Insel, die Schleuse in Windisch-Rietz, der Heidelbeerkuchen im Atelier, das lost-Place-Feriendorf und schließlich gefällt es mir, das Fahrrad wieder abzugeben. 

Erstaunlicherweise gibt es am See gar nicht so viele Strände oder Badestellen. Der größte Teil der Seezugänge ist privat. Rund um den See gibt es beeindruckende Architektur - sowohl in die positive, aber auch in die negative Richtung. Man sieht teilweise noch die beige DDR-Bauweise (oder ist das nur ein West-Klischee?), man sieht herrlich renovierte Villen und Häuschen und man sieht funkelnagelneue, sterile und leblose High-End-Bungalows. Ich wüsste auf Anhieb gar nicht, für was ich mich entscheiden würde. 

Freitag 
Für unseren letzten Urlaubstag ist Badewetter bestellt. Die Sonne hält sich dran und scheint ab morgens. Der Tagesplan sieht vor, das Häuschen nicht weiter als bis zum See zu verlassen. Nach dem Frühstück mit frischer Bäckerware genießen wir das faule Leben. Nichts tun müssen, sich von der Sonne bescheinen lassen und den Wind auf der Haut spüren, was für ein Luxus. 

Später wird dann doch noch der Flamingo gewässert. Der Flamingo, den irgendjemand Else getauft hat. Allerdings ist der Wassergang mit Else recht kurz - es ist zu windig und das Tier flüchtet sogar kurzzeitig aus dem Wasser. Kommt natürlich nicht weit, nur bis zu den beiden Mädchen, die erzählen, sie haben auch so einen Pinguin. 

Und dann: auf dem Balkon liegen und in den Himmel schauen während unter mir auf der Veranda über Belichtungszeit, Blende und das perfekte Foto gesprochen wird, - das ist ein Moment, den ich für mein Lebensmuseum speichern sollte (nach John Strelecky: Big Five for Live) 

Und, am Abend, just in time, gibt es endlich unser visualisiertes Titelbild für das Fotobuch. Es gibt Champagner am Scharmützelsee. Im Sonnenuntergang. Tschüss, See. Hab's schön. 

Samstag 
Früher war bei der Urlaubsreise das Highlight, wenn man im Straßenatlas nur noch einmal umblättern musste und man wusste, gleich ist der Weg geschafft. Heutzutage ist dieser Punkt erreicht, wenn das Navi bei den verbleibenden Kilometern von 100 auf 99 umspringt. Leichtfertigerweise habe ich verkündet, das mein neues Lieblingslied der Song wird, der genau dann im Radio kommt. Das hab ich jetzt davon - jetzt muss ich Michael Jackson mögen mit "they do not really care about us". 
Und dann, wieder daheim.